Einer trage des andern Last…

Der Beginn des Wochenspruches aus dem Galaterbrief hört sich nach einem frommen Wunsch an. Wie soll denn das gehen?

Die meisten Menschen haben mit sich genug zu tun. Abgesehen davon kann ich gar nicht die Last der anderen tragen, wenn ich nicht weiß, wo sie der Schuh drückt.

Gerade bereitet eine Klasse des Evangelischen Gymnasiums eine Andacht zum Schuljahresende vor. Als Pfarrer wurde ich vom Klassenlehrer gefragt, ob ich mitwirken kann.

Vieles hatte ich während der letzten Monate schon gehört. Trotzdem haben mich die Erzählungen der Jugendlichen sehr berührt, wie sie das Schuljahr erlebt haben. Deutlich haben sie berichtet, wo sie Lasten getragen haben. Wo der Schuh gedrückt hat. Oft war aber auch eine versteckte Frage und Antwort zu spüren. Darf ich von eigener Schwäche erzählen? Ich muss doch stark sein!

Es war wie ein Spiegel. Denn ich habe gemerkt, wie sehr auch ich als Erwachsener diese Gedanken immer noch verinnerlicht habe: „Das schaffe ich schon – du musst stark sein“. Und wie ich sogar noch weiterdenke: „Ich brauche keine Hilfe.“ Denn braucht jemand Hilfe, wird das häufig mit Schwäche und Unvermögen gleichgesetzt!

Und wer will schon als schwach gelten!

Ich glaube, diese „ungeschriebenen Gesetze“ haben wir verinnerlicht.

Wann haben Sie von einem Erwachsenen das letzte Mal den Satz gehört: „Das kann ich nicht, ich brauche Hilfe!“ Eine einfache und doch so wirkungsvolle Frage! Wie ginge es, wenn Menschen einander um Hilfe bitten. Und nicht versuchen, die Welt allein zu bewältigen. Sprechen wir miteinander und sagen einander, was wir wirklich brauchen!

Ihr Pfarrer Nikolaus Flämig

(Ev.-Luth. Kirchengemeinde Meiningen und Dreißigacker)