Wenn ich nicht die Wunden berühren kann, dann kann ich's nicht glauben!

Der „ungläubige Thomas“ ist sprichwörtlich. „Berühre meine Wunden; aber selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ So spricht der auferstandene Jesus zu ihm. Andererseits begreift der skeptische, vielleicht allzu skeptische Thomas manche Dinge eher als andere. Als Jesus nach Jerusalem aufbricht, sagt er: „Gehen wir und sterben wir mit ihm!“ Petrus weist diesen Gedanken zurück, aber Thomas sieht schon: Es wird ein Kreuzweg werden!

Und nun steht er dem auferstandenen Jesus gegenüber. Alles gut damit? „Wenn ich nicht die Wunden berühren kann, dann kann ich's nicht glauben!“ Die Auferstehung an sich ist wohl gar nicht das „Problem“. Aber ist der Auferstandene noch der Herr, den Thomas kennt? Oder kannte? Jesus wirkt offensichtlich anders, irgendwie verwandelt. Maria Magdalena hält ihn am Ostermorgen zunächst für den Friedhofsgärtner. Auf Grünewalds berühmtem Altarbild ist Jesus sowohl als Elendsgestalt am Kreuz als auch als auferstandene Lichtgestalt dargestellt - und man kann fragen: Ist das noch der Jesus, der gekreuzigt und begraben wurde? Bleibt der Auferstandene ein Mensch mit einer Vergangenheit? Das will Thomas wohl wissen. Das ist ihm wichtig.

„Berühre meine Wunden!“ Jeder trägt Wunden und Narben mit sich; körperlich, seelisch … Manches braucht lange, um - vielleicht, hoffentlich - zu verheilen, und Narben bleiben in jedem Fall. Und auch bei Jesus bleiben die Wundmale sichtbar - und eben das bringt Thomas neu zum Glauben: „Mein Herr und mein Gott!“ Diesem Herrn kann ich auch weiterhin nachfolgen! Ihn weiß ich an meiner Seite auch auf meinem Weg, der von so manchen Verwundungen und Vernarbungen geprägt ist! - Jedem sind Wunden zugefügt worden, jeder hat anderen Wunden zugefügt; mehr oder weniger. Jedes Leben ist davon geprägt. Sehr viele zweifeln deshalb am „Sinn des Ganzen“, zweifeln an Gott - oder lassen ihn gleich ganz beiseite. „Was soll das alles!“ Nach wie vor Leiden, Kreuzigungen, Wunden, Narben und Begräbnisse; millionenfach, milliardenfach, über Jahrhunderte, Jahrtausende nach Christi Geburt, Tod und Auferstehung. Verzeichnet in großen Geschichtsbüchern und vor allem in unzähligen kleinen Lebensläufen. Wundmale prägen das Dasein von Überlebenden und Hinterbliebenen. Doch sie sollen verwandelt werden – vom Herrn, Menschen und Gott, der selbst Wundmale trägt, der Leid und Schmerzen kennt. Lassen wir selbst uns von ihm verwandeln, treten wir in das Osterlicht, mit Wunden und Narben, erlitten und verursacht; als Menschen, die Mühsal, Leid und Tod unterworfen sind - als Menschen, die an der Auferstehung teilhaben können: Mein Herr und mein Gott!

Eine gesegnete Oster- und Frühlingszeit wünscht Ihnen Sebastian Wohlfarth