Den Finger in die Wunde legen

Der vor uns liegende Sonntag wird „Weißer Sonntag“ genannt.

In der frühen Kirche erschienen die eine Woche zuvor in der Osternacht getauften in ihren Taufkleidern im Gottesdienst.

Erst nach diesem Gottesdienst wurden die Taufkleider ausgezogen und waren nach einer Woche „Dauereinsatz“ mit Sicherheit nicht mehr so weiß wie zur Taufe.

Damit war deutlich: Ein Taufkleid allein macht keinen Christen.

Der Glaube soll sich im Alltag zeigen. Gott schaut aufs Herz und nicht auf ein „blühtenweißes Hemd“.

Der Sonntag ist innerhalb des Kirchenjahres ein Schwellensonntag, in dem die Brücke von den Osterereignissen hin zu einem Glauben im Lichte der Auferstehung geschlagen wird.

Und wen wunderts, der erste im Gottesdienst zu bedenkende Text (Johannes 20,19-29) beschäftigt sich mit den Zweifeln an der Auferstehung Jesu.

Wir lesen vom sogenannten „ungläubigen Thomas“ der „seinen Finger in die Wunde“ legt.

Er will Gott begreifen, Glaubenssicherheit bekommen, indem er die Wundmale am auferstandenen Leib Jesu selbst berührt.

Ich finde es bemerkenswert, dass Thomas hier direkt ausspricht, was uns alle bewegt: „Das glaube ich nicht; Tote können nicht wieder lebendig werden.“

Wunderbar ist auch die Reaktion Jesu: Jesus weist Thomas nicht ab! Er darf ihn berühren.

Leider ist heute kein Jesus, der mal eben durch die verschlossene Tür kommt und uns bittet, unsere Finger in seine Wunden zu legen.

Wir haben unseren Unglauben, besser gesagt: unsere Zweifel.

Wie kann ein Toter wieder lebendig werden?

Nur im Fühlen!

Unser Fühlen überlebt jedes Grab.

Und unser Hören auch!

Zweifel wird es immer wieder geben.

Aber es gibt auch einen Weg, mit unseren Zweifeln zu leben:

Wir halten uns fest an den Gefühlen, die uns mit dem oder der Verstorbenen verbinden; es ist eine bleibende Verbindung.

Und wir halten fest an Jesu Versprechen, dass Glaubende zwar für unsere Augen sterben, für Gottes Augen aber nicht. Tote sind in Gottes Hand. Zugesagt bei der Taufe, egal wie das Taufkleid am Ende ausschaut.

Das ist unsere Hoffnung.

In der leben wir mit und gegen jeden Zweifel.