Schließ die Tür zu!

„Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein, schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist!“ Matthäus 6, 6

Hast du ein Kämmerlein zum Beten? Einen Ort nur für dich, für Gott und das Flüstern der Zeit? Hast du ein Kämmerlein zum Beten? Ist es dein Bett am Abend, wenn du Gott den vergangenen Tag zeigst wie einen Film? Und warum muss diese Kammer eigentlich verschließbar sein? Gehört das Beten denn zum Dämmerreich der Heimlichkeiten? Wofür sonst gehe ich ins Kämmerlein und schließe die Tür zu? Für die Tränen, die keiner sehen soll, die Jämmerlichkeit, die nur mir gehört, die zweifelhaften unter meinen Gedanken? Wofür brauche ich eine Kammer, die sich verschließen lässt? Und wem schließe ich sie auf? Wen lasse ich ein? Vielleicht verbirgt sich das Geheimnis des Gebetes genau in diesen Fragen? „Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist!“

Das ist eine kühne Verheißung. Im geschützten Kammergebet ist heilige Begegnung. Dort kannst du dich als Verborgener offenbaren. Du, in deiner Selbstverriegelung. Du, mit deinen innen umgedrehten Schlüsseln. Gebet hat mit Hingabe zu tun, und dafür braucht es das Recht auf Verborgenheit. Du entscheidest, wen du mitnimmst in deine Kammer und vor wem du deine Seele entblößt. Der Schlüssel innen schützt vor der Scham außen.

Deshalb:„Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein, schließ die Tür zu!“

Und nun kommt das Wunder, von dem Beter immer wieder berichten: Im verschlossenen Kämmerlein deines Lebens wird Gott zum Verstehenden. Nicht zum Demütiger, der deine Zerknirschtheit braucht. Nicht zum Richter, der deine Schuld braucht. Nicht zum Ertapper, der deine Scham braucht. Gott wird zum Verstehenden. Und schau, es ist gut. Schau, es tröstet. Schau, es verwundet dich nicht. Das ist der Seiltanz des Gebetes: Der Verborgene ist der Verstehende. Zu IHM kannst du sagen: Schau mich an Vater, der im Verborgenen ist! Siehst du meine Blöße? Ich bin nur noch Haut. Ich bin nur noch Seele. Ich bin nur noch ich. Und genau so komm ich zu dir.

Hast du ein Kämmerlein zum Beten? Dann geh hinein, schließ die Tür zu und erzähle dich deinem Vater! Im Verschließbaren deines Lebens wird ER zum Verstehenden.

Thomas Perlick, Römhild