Entfernungen sind relativ

Noch messen sich Abstand und Nähe in 1,5m. Doch eigentlich sind Entfernungen relativ, eine Frage des Standpunktes und der Haltung.

In den Zeiten des Lockdown haben sich viele Familien per Videokonferenz getroffen. Wir konnten uns sehen und hören, auch wenn unsere Wohnorte hunderte Kilometer entfernt voneinander sind. Viele hat es getröstet in Zeiten, in den wir uns nicht leibhaftig begegnen konnten.

In manchen Nächten sind die Sterne zum Greifen nah und doch Lichtjahre von uns entfernt.

Einer meiner Nachbarn auf der anderen Straßenseite schätzt die Situation in Meiningen und in unserem Land ganz anders ein als ich. So wohnen wir nur eine Straßenbreite auseinander und doch trennen uns Welten in unseren Standpunkten.

Im Monatsspruch für diesen Monat geht es um Abstand und Nähe zu Gott:

„Gott ist nicht ferne von einem jeden von uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.“ (Apg. 17,27-28)

Der Apostel Paulus sagt diese Worte auf dem Areopag in Athen. In der Diskussion auf dem Marktplatz geht es um die Fragen „Wer ist Gott?“ und »Wo ist Gott?“

Damals wie heute fragen sich Menschen:

Ist er überall zu finden und ganz nah, oder ist er ganz weit weg, oben im Himmel?

Ist Gott in allen Dingen, in der ganzen Natur, in jedem Menschen?

Oder ist er nicht eher der, der sich ganz von dem unterscheidet, was wir auf dieser Erde vorfinden?

Ist Gott einer von uns, oder ist er nicht der ganz andere, der Heilige?

Ist Gott der, der mich trägt und leitet, oder eher der, der die Menschen von oben beobachtet?

Ist er unser Heil oder unser heilsames Gegenüber?

Paulus verändert die Perspektive der Frage, er denkt von uns Menschen her.

Nur aus der Perspektive der Menschen kann er etwas über Gott sagen.

Wir „leben, weben und sind“ in Gott.

Er ist der Rahmen, innerhalb dessen wir existieren und uns bewegen.

Wir „leben, weben und sind“ durch Gott.

Er ist der Schöpfer, durch den wir die geworden sind, die wir sind.

Wir "leben, weben und sind" bei Gott.

Er ist Mensch geworden. Deshalb ist Gott in unserer Nähe.

Wir sind Gott näher, als wir glauben.

Gott ist nicht ganz weit weg oder nirgends, sondern Gott ist überall, wo wir sind.

Ich wünsche uns, dass wir diese Gegenwart Gottes spüren, dass sie uns trägt und bewegt.

Ihre Beate Marwede, Superintendentin des Kirchenkreises Meiningen