Ein Moment

Neulich erst war ich beim Zahnarzt gewesen. Keine Sorge, es war nur zur Zahnprophylaxe. Wie gewohnt setzte ich mich in den Wartebereich und wollte, ebenfalls wie gewohnt, mein Handy aus der Tasche ziehen. Es ist leider zu einer Art Angewohnheit geworden, dass ich, sobald ich irgendwo warte, mein Handy herausholen möchte. Ich lese dann empfangene Nachrichten oder stöbere im Meininger Tageblatt. Dinge halt, die ich meine, ganz dringend lesen zu müssen, um auf dem Laufenden zu bleiben, damit ich Bescheid weiß.

Nur hatte ich an diesem Tag mein Handy leider nicht dabei. Im Stress, um pünktlich zu kommen oder warum auch immer. Vielleicht weil es noch laden musste. Vielleicht weil ich es in einer anderen Hose wähnte. Ich hatte es zumindest vergessen. Nun war ich da, ganz ohne das Ding, im Wartezimmer, ohne gewohnte Beschäftigung. Was nun tun mit meiner Zeit?

Wie selbstverständlich sah ich auf meine Hände. In ihnen nun kein Handy. Einfach nur Hände. Da sah ich mir meine Hände an. Hatte ich lange nicht getan. Acht Finger, zwei Daumen, leicht rot von der Kälte draußen. Acht Finger, zwei Daumen, so wie viele Hände, aber diese waren und sind nun mal meine Hände.

Warum sehe ich sie eigentlich nicht öfters an? So vieles steht in ihnen. Nicht nur die Kälte. Auch die Erinnerung. Was haben sie heute nicht alles schon gemacht. Getragen, gespürt, getippt, gekocht, gearbeitet. Immer dabei, immer da wo ich bin. Sie haben gehalten und getröstet, waren Teil von Umarmungen und Glied einer Menschenkette. Sie waren helfende Hände und ja sogar segnende.

Zeit verfliegt so schnell, ich bekomme sie oft gar nicht mehr zu fassen, so vieles passiert gleichzeitig. So vieles passiert und meine Hände mussten, ohne zu denken, funktionieren. Mit anpacken.

Aber jetzt hier in dem Moment, in der Arztpraxis, sehe ich auf sie. Da habe ich Zeit für sie. Nein, eigentlich habe ich nun Zeit für mich. Ich und meine Hände müssen gerade nichts halten.

Ein Moment der Ruhe für uns alle. Ein Moment der Erinnerung, für das was schon geschafft und gelungen ist.

Ich sollte mir öfters solche Momente nehmen. Öfters mein Handy vergessen. Für mich, für die Ruhe, vor dem Moment, bis ich und meine Hände zum nächsten Einsatz gerufen werden. Das Warten im beim Arzt kann so schon fast zum Geschenk werden.

Und was haben ihre Hände heute schon alles bewegt?