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Möhren  Bild von StockSnap auf Pixabay
Möhren

"Die etwas anderen"

So betitelte eine bekannte Supermarktkette vor einiger Zeit unter anderem Möhren und anderes Gemüse, das auf den ersten Blick nicht der DIN-Norm und damit wohl auch nicht unseren Erwartungen entspricht. Ein Blick auf die Gemüsetheke brachte dann Möhren mit zwei Enden, unförmige oder in der Mitte besonders dicke Exemplare zum Vorschein. Eine kluge Idee, diese Möhren nicht auszusortieren, sondern für einen geringeren Preis anzubieten. Wer ein paar dieser Möhren kaufte, hatte etwas für sich, sein Gewissen – und vor allem eine kleine Fantasiegeschichte erworben. Denn so ästhetisch lange gerade Möhren auch sein mögen, zu Geschichten laden eher „die etwas anderen“ ein. Eine Möhre mit zwei Enden sieht plötzlich aus wie ein kleines Tänzerpaar, das über den Tisch schwebt. Eine krumme Kartoffel erinnert an eine schlecht getöpferte Schale, die in der Kindheit als Vogeltränke herhalten musste. Eine Tomate mit Narbe erzählt von Sturm, Regen und Sonne, die sie trotzdem hat reifen lassen.

Warum sollte es bei uns Menschen dann anders sein? Mit zunehmendem Alter entdecke ich immer wieder neue Ecken und Kanten an mir. Da sind die ersten Narben, die mich an Verletzungen von vor Ewigkeiten erinnern. Da ist der kleine Schmerz, der an bestimmten Tagen immer wieder an derselben Stelle ein bisschen nervt. Da sind meine kleinen, vielleicht würden andere sogar sagen großen, Eigenheiten, die mich etwas anders machen als die Menschen um mich herum. Und auch Sie, liebe Leser*innen, haben sicher die eine oder andere Macke, Kante oder Eigenheit. Manches an uns passt nicht zu den Erwartungen, die wir an uns selbst oder andere an uns stellen. Und oft genug schleppen wir Sorgen mit uns herum, die genau daraus entstehen: Bin ich gut genug? Kann ich mithalten? Muss ich meine Fehler verstecken?

Der Wochenspruch für die kommenden Woche antwortet überraschend einfach: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5,7). Ich verstehe den Satz so: Gott greift am liebsten in die Kiste mit den „etwas anderen“. Dort sucht er uns aus – mit unseren Geschichten, unseren Macken, unseren Erfahrungen. Für perfekte Geschichten interessiert er sich nicht. Aber für dich und für mich schon. Deine Sorgen sind nicht zu schwer, deine Risse nicht zu groß. Es hängt nicht an deiner Perfektion, ob du getragen wirst. Gott sortiert nicht aus, was nicht passt.

Vielleicht können wir uns also getrost in die Reihe der „etwas anderen“ stellen – mit unseren Geschichten, Brüchen und Umwegen. Gerade das macht uns menschlich. Und vielleicht auch wertvoller, als wir denken, meint Pfarrer Aaron Laßmann-Rogge aus Meiningen.