Mensch & Meinung

Was haben wir diskutiert, Argumente ausgetauscht - leidenschaftlich und deutlich formuliert! Versucht, der jeweils anderen Position eine andere, stärkere und überzeugendere entgegenzustellen. Manchmal haben wir lange gesessen, um eine Entscheidung zu bearbeiten. Manchmal mussten wir sie vertagen. Noch mal drüber schlafen. Zum Zerschneiden dick die Luft, im Raum.

Ich erinnere mich an Sitzungen, die ich zum Anfang meiner Berufslaufbahn erlebt habe. Als Mitglied, ganz jung, im Kreiskirchenrat. Rechts von mir saß der Zahnarzt, stellvertretender Präses. Links von mir der Landwirt, der Präses. Ich - in der Mitte. Es geht um die Sache. Das habe ich in vielen Sitzungen von den beiden versucht, zu lernen. Einer der beiden sagte mal zu meinem Mann: „Mit deiner Frau ist es manchmal
aber auch nicht leicht.“ Ja, da hatte er wohl recht. Es geht um die Sache. Deutlich und klar. Nicht allgemein, unklar, und ohne herbeigezogene Argumente oder „Totschlagargumente“, wenn man nicht weiterkommt. Ob ich eine höhere Position innehabe, macht meine Meinung nicht richtiger und wichtiger. Es gilt eben nicht, wer ist wer. Es geht um die Sache.

„Was mache ich, wenn ich auf Menschen mit mir widerstrebenden Haltungen treffe? (…) Mensch und Meinung - sollte man das unterscheiden?“ Zwei Fragen, aus einer Andacht zu „Komm rüber! 7 Wochen ohne Alleingänge“. Die Fastenaktion der evangelischen Kirche. Im Nachdenken saß ich wieder in der Mitte, älter jetzt, inmitten der Diskussionen, an die ich mich erinnerte. Erinnerte an das, was sie mir auch immer gezeigt haben:

1. Die beiden, Zahnarzt und Landwirt, waren und sind sehr gute Zuhörer. Nicht, um Argumente beim anderen zu sammeln und sie im nächsten Redebeitrag zu nutzen. Sondern, um zu verstehen und das auch zu zeigen. Ich kann deine Meinung nicht teilen, aber ich versuche zu verstehen und mit dir im Gespräch zu bleiben. Eine wichtige Haltung.

2. In den Sitzungen galt: “Und danach muss man immer noch ein Bier miteinander trinken gehen können.“ Das haben wir ganz selten gemacht. Aber sie haben so diskutiert, dass der Mensch Mensch blieb und seine Meinung wirklich nur seine Meinung blieb. „Mit deiner Frau ist es manchmal aber auch nicht leicht.“ Ja, da hat er wohl recht. Und lehrte mich so, wie gut es ist, mit dem Mensch im Gespräch zu bleiben, mit denen es manchmal nicht leicht ist.

Eine gesegnete Zeit
Pfarrerin Birgit Molin