Gott war früher

Ich habe einen Frage - Freund. Er forscht gern ein bisschen in mich hinein. Wir mögen uns, obwohl er die Welt gern erklärt, während ich sie lieber staune. Kürzlich fragte er mich: „Du, Thomas, wieso glaubst du eigentlich? Du bist doch sonst ein ganz vernünftiger Junge. Gott war früher, als die Leute so was noch brauchten.“

„Gott war früher.“ Mir gefallen solche steilen Sätze. Aber ich sehe es trotzdem anders. Außerdem bin ich gern mal ein unvernünftiger Junge. Ich denke um die Ecke. Ich streune durch die sieben Himmel meiner Sehnsucht. Ich liebe Verwunderungen. Ich mag Wissenschaft durchaus, aber ich misstraue Beweisen. Ich interessiere mich für Forschung, aber ich fürchte eine ausgeforschte Welt. Ich habe eine Leidenschaft für unlösbare Rätsel und gehütete Geheimnisse. Zu all dem gibt mir der Glaube Raum und Tiefe. Er ist ein Abenteuerland der Seele. Er bleibt so schön unverfügbar. Er ist nie nur das, was ich gefunden habe. Er ist immer auch das, was ich suche. Glaube ist mehr Staunen als Wissen, mehr Fragen als Antworten. Und die Welt ist mit Gott durchaus eine andere als ohne ihn. Sie ruht im Zauber ihrer Heiligkeit. Sie ist Schöpfung in Fülle und Schönheit. Ich höre die Melodie des Göttlichen in ihr. Den Sound der verheißenden Tiefe. Das mag ich sehr.

Alfred Depp (Jesuit und Widerstandskämpfer) schreibt (mit gefesselten Händen!) am 17. November 1944 in einer Zelle in Berlin Tegel: „Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brennpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen.“

Oder, von meinem geliebten Antwort – Freund Matthias Claudius herrlich gedichtet: „So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sind nicht sehn.“

Du fragst, warum ich glaube?

Deshalb!

Thomas Perlick, Römhild