Geisterstunde

Eben noch schien die Welt unterzugehen. Der Himmel hatte sich gruselig verdunkelt. Dicke Hagelkörner prasselten auf die Straßen Meiningens und der Umgebung. Und wenn schon nicht Hagelkörner, dann war es der Platzregen, der alles binnen Sekunden durchnässte. Warum ich gerade jetzt mit dem Auto unterwegs sein wollte, kann ich im Nachhinein gar nicht mehr sagen. Das Unwetter hatte die Straßen Meiningens leergefegt. Vereinzelt lagen Äste und Blätter auf der Straße herum. Als würde ich durch eine Geisterstadt fahren, dachte ich mir, als ich um die Kreuzung bog.
Die Sonne hatte sich durch die Wolkendecke zurück gekämpft und ließ nun die ganze Magie des Moments sichtbar werden, denn der Boden dampfte. Rauchsäulen hatten sich über den noch warmen, aber nassen Boden gebildet. Ein Filmset eines apokalyptischen Filmes hätte es nicht besser nachdrehen können. Über allem das Rot der Abendsonne, welche sich sogar auf der Fahrbahn spiegelte.

Magisch, nicht wahr? Ich hätte Sie alle gerne dabeigehabt, wäre am liebsten aus dem Auto gestiegen und hätte den Moment für Sie und die Ewigkeit festhalten wollen. Festgehalten, damit er niemals vergessen wird.
Was so ein Sturm mit der Welt doch macht. Erst lässt er sie erschüttern, schüttelt sie kräftig durch und ich frage mich noch, wie ich hier wohl rein geraten bin. Doch schon im nächsten Moment überrascht ein Augenblick der Magie, da wartete um die nächste Ecke das Unerwartete.

Wenn wir zu Pfingsten von der Zeit des Heiligen Geistes sprechen, dann meinen wir doch etwas anderes als Geisterstunden und Rauchsäulchen über unseren Straßen. Und doch meinen wir auch genau das. Wir sprechen davon, dem Unerwarteten zu begegnen, dann, wenn wir nicht mehr mit einem ruhigen Moment gerechnet haben. Dann, wenn wir eigentlich schon den Tag oder gleich die ganze Woche in die Tonne kloppen wollten. Dann begegnet uns etwas, das uns wieder Hoffnung schenkt.

Als sich die Jünger Jesu in einem Haus versteckt hielten, weil ihnen mit der Abwesenheit Jesus die Welt zusammen brechen drohte, da hätten sie nicht mehr erwartet, noch etwas Hoffnungsvolles zu erleben. Doch genau das passierte. Der Heilige Geist kam über Sie, als sie nicht damit rechneten,
und verwandelte ihre Herzen und Zungen, dass sie in den Sprachen der Welt sprechen konnten.

Pfingsten lädt ein, sich bereit zu machen für das Unvorhersehbare, das ganz andere, für den ganz anderen. Nennen Sie es Gott, nennen Sie es Heiliger Geist oder nennen Sie es magisch. Egal, aber machen sie sich bereit, ihn wahrzunehmen.
Frohe Pfingsten wünscht Pfarrer Aaron Rogge