Foto von Andreas Pöcking, Erfurt
Tobias Schüfer Foto von Andreas Pöcking, Erfurt  Foto von Andreas Pöcking, Erfurt
Tobias Schüfer Foto von Andreas Pöcking, Erfurt

Ein Sehnsuchtsbild

Der Ewigkeitssonntag ist ein Novembertag. Die bunten Blätter sind gefallen. Die letzten Blüten verblüht. Der Sommer ist unwiderruflich dahin. Der Winter schickt schon erste Boten aus. Ein fahles Licht legt sich über die Welt. Und unsere Gedanken kreisen um die Vergänglichkeit.

In diesem Jahr haben viele die Macht des Todes besonders schmerzlich erfahren. Ihnen sind Angehörige gestorben, eine Freundin, ein Freund, Menschen, mit denen sie ihr Leben geteilt haben. Mit jedem Namen verbinden sich konkrete Erinnerungen an die gemeinsame Zeit, an schöne und schwierige Erlebnisse. Erinnerungen auch an die Stunde des Abschieds. Wie schwer war es für die, die sich wegen der Corona-Bestimmungen von ihren Verstorbenen nicht einmal richtig verabschieden konnten.

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Siehe, ich mache alles neu“, so heißt es in der Bibel, in der Offenbarung des Johannes.

Die Bilder, die uns hier vor Augen gestellt werden, beschreiben eine große Sehnsucht.

Und die steht offensichtlich im Widerspruch zu allem, was wir erleben. „Siehe, ich mache alles neu?“ Davon kann ich wenig spüren. Der ewig gleiche Trott, eher noch mehr Schmerz, Leid und Tod, das ist die Realität. Doch die Bibel weiß um diese Realität. Sie weiß sehr wohl um die Tränen, die wir weinen, weil ein geliebter Mensch gestorben ist, wenn Beziehungen zerbrechen und Lebenspläne scheitern. Wie gut, wenn wir der Trauer mit unseren Tränen Ausdruck geben. Und wie gut, wenn wir dabei Trost finden. Denn unsere Tränen sollen getrocknet werden. Gott lässt uns in dem Schmerz nicht allein. Er wendet sich uns zu wie sich eine Mutter, ein Vater sich dem weinenden Kind zuwendet. Er sagt nicht: „Hör auf zu weinen, das Leben geht schon irgendwie weiter.“ Gott sagt: Nichts geht so weiter wie bisher. Ganz anders wird es sein. „Siehe, ich mache alles neu.“

Dieser neue Himmel und diese neue Erde bleiben ein Sehnsuchtsbild, eine Verheißung. Wir werden auch weiterhin mit all den Brüchen, Verletzungen und Tränen leben. Doch dieses brüchige Leben legen wir in Gottes Hand. Und hoffen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

Einen gesegneten Ewigkeitssonntag wünscht Ihnen Regionalbischof Tobias Schüfer.