Den Augenblick genießen

In meinem Garten blühen drei auffallende Blumen: Die Gemeine Nachtkerze hat sich ohne mein Zutun ihr Domizil im Milzer Pfarrgarten gesucht.

Jeden Abend komme ich über sie ins Staunen: Die Pflanze öffnet in kurzer Zeit große, leuchtend gelbe und duftende Blüten. Es sieht wunderbar aus, und doch raubt mir die zunehmende Dämmerung den Anblick in die Dunkelheit hinein. Am nächsten Morgen leuchten die Blüten noch, aber bereits mittags sind sie verblüht und unansehnlich. Am nächsten Abend wieder holt sich das Aufblühen neuerlich für eine Nacht und einen Vormittag. Die Pflanze weiß um ihre Zeit, bringt ihre Blüte für die Nachtfalter und Schwärmer zum Blühen. Tagmenschen können die Pracht bei Licht nur kurz bewundern.

Ich komme beim Anblick der Blume ins Nachdenken. Die Blüte lebt im Jetzt.

Sie ist vergänglich und doch so schön und duftend. Sie lebt den Augenblick.

Wie ist das in meinem Leben – und vermutlich im Leben vieler Menschen?

Ich plane. Ich arbeite auf Zukunft und vergesse oft den Augenblick.

Aber die Natur ist in der Gegenwart zu erleben und das Jetzt ist ihr Augenblick:

JETZT - singt die Grasmücke so schön,

jetzt - schreien heißer die Mauersegler,

jetzt - erblüht die gelbe Blume,

jetzt - rauscht der Wind in den Bäumen …

Ich möchte mehr Zeit für die Gegenwart haben! Gott hat die Welt so schön gemacht und alles lebt zu seiner Zeit. Wie schnell vergeht sie und wir können den Augenblick nicht festhalten. Aber wir können den Augenblick genießen, die Schönheit der Natur im Jetzt wahrnehmen. Ich kann den Moment ins Herz hineinnehmen, wenn mein Enkelkind auf meinem Schoss sitzt und mit Oma ein Lied singt. Auch wenn der Augenblick so schnell vergeht, jetzt ist er eben da in all seiner Schönheit und Fülle. Auch wenn mein Enkelkind bald wieder wegfahren wird, jetzt ist es gerade da bei mir …

Ich möchte Mut machen, weniger für die Zukunft zu leben, sondern die Gegenwart mit ganzem Herzen wahrzunehmen, auch wenn alles vergänglich ist. Die vielen Augenblicke machen unser Leben wertvoll; die Augenblicke mit den Menschen um uns und die Augenblicke im Staunen über Gottes schöne Welt.

So, wie der Psalmbeter über das Leben staunt: Ich danke dir, Gott, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.

Zeit zum Staunen wünsche ich Ihnen, liebe Leser, an diesem Wochenende.