"Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung" (Talmud)

Eine gedächtnisträchtige Woche liegt hinter uns, verbunden mit dem 9.November: 1938 die Reichspogromnacht mit der Zerstörung der Synagogen und der systematischen Verfolgung und Ausrottung der jüdischen Bevölkerung. Wie viele der Nachkommen der verfolgten Bürger Meiningens könnten heute noch unter uns leben?! Ihre Namen sind nicht vergessen und sind Teil der Erinnerungskultur unserer Stadt.

Und dann das Jahr 1989 mit dem Fall der Mauer. Auch da gibt es lebendige Erinnerungen vieler, die dabei waren und vom Geist der Freiheit bewegt wurden.

Die beiden historischen Ereignisse haben eigentlich nichts miteinander zu tun, außer dass sie sich an einem 9. November ereigneten. Aber sie lehren uns in der Gesamtsicht der Geschichte, dass sich auch geschehenes Unrecht trotz Freiheit und Fallen von Mauern wiederholen kann. Wieder gibt es Antisemitismus in aggressiver Form, der aus diffusem Untergrund auftaucht und bestimmte Menschengruppen verantwortlich machen für gefühltes Unrecht oder Katastrophen. Wieder lassen sich Menschen von Verschwörungstheorien beeinflussen, die allen Fakten widersprechen. Das ist alles sehr alt und sehr neu zugleich, die Ursachen für Verfolgungen und Kriege für Hass und Nationalismus.

An diesem Sonntag ist Volkstrauertag, der uns all diese Zusammenhänge wieder ins Gedächtnis bringt, verbunden mit Erinnerungen an Menschen, die für Kriege und Gewalt mit dem Leben bezahlten mussten. Gräber und Gedenkstätten sind dafür bleibende Zeugnisse und Orte des Schmerzes. Die Namen werden bewahrt und sind nicht vergessen, gleichzeitig sind sie Mahner für die Nachwelt, also auch für uns, achtsam zu sein gegenüber den Kräften die Hass und Gewalt wieder etablieren wollen Das ist keine einfache Aufgabe, dazu braucht es neben einem guten Gedächtnis auch Zivilcourage und einen festen Standpunkt. Wir gedenken der Toten und sind getröstet, wenn sie ein Grab oder einen Ort des Gedächtnisses haben, dann kann Leid und Schmerz in der Erinnerung bewältigt werden.

Auch in dieser Zeit, die uns viel abverlangt in einer Pandemie ist es wichtig, dass wir uns den Blick bewahren für die Not anderer. So wie es im Bibelwort für diesen Sonntag steht und woran uns Jesus dauerhaft erinnern will: „Was ihr getan habt, diesen von meinen geringsten Brüdern und diesen von meinen geringsten Schwestern, das habt ihr mir getan“.

Marita Krüger, Pröpstin i.R., Meiningen